Mittwoch, 7. Oktober 2009
Looking Back: Pencil Case
06.10.

Also, es stellt sich wirklich die Frage, soll man sagen: "Mann, haben die ihr Publikum gut im Griff" oder "Mann, hat das Publikum die gut im Griff".
Aber um zum hundertsten mal den beliebten englisch-irischen Spruch herhalten zu lassen, ich schätze mal, it goes both ways.
Man muss sich ja schließlich auch erst einmal ein Publikum erspielen, das vom ersten Song an tanzt und mitsingt, und das dann sogar noch obendrein so viel Eigenständigkeit und Kreativität entwickelt, dass es zwischen den Songs auch noch singt, und zwar Originale wie "Hey Pippi Langstrumpf" und "Wir sind alle male Öcher Jonge", for example.
Und eine Band muss auch erstmal den Humor und den Nerv haben, solche Brocken dann direkt musikalisch aufzugreifen und fortzuführen... bis zu zehn Minuten... oder: bis in die Puppen.

Aber das ganze spaßige Drumherum mal beiseite gelassen.
Ich habe nicht wirklich einen aktuellen Vergleich zu Pencil Cases elektrischen Shows. Aber sie können kaum besser sein, als sie es unplugged sind. So eine unwiderstehliche Groovefraktion, und dann ein Druck in Gesang und akustischer Gitarre, von dem andere Bands selbst elektrisch nur träumen können.
Die haben einen Wumms! Herrschaftszeiten. Halbakustischer Alternative Rock, und das voll auf die Zwölf!

Ich kann mich nur wiederholen: ablsout empfehlenswert.
Geile Musik und dazu ein Party- und Spaßfaktor, von dem sich manche "Wir-machen-ernsthaften-Rock-und-wollen-uns-auch--total-ernstgenommen-wissen-Spaß-habt-ihr-dann-eben-Karneval"-Band ruhig mal ne Scheibe abschneiden könnte.

Ha!

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Mittwoch, 30. September 2009
"That's Rock'n'Roll"
Jaja, der arme Rock'n'Roll musste in der Hochzeit desselben schon für so einiges herhalten.
Ich war selbst oft genug mit Bands unterwegs, und auf Tour gehen dauernd Dinge schief, manchmal hat die Band es selber verbaselt, und manchmal sinds auch die Veranstalter oder die Tourplaner schuld...

Man muss sich abhärten, man muss improvisieren, man muss oft genug unter schlechtesten Bedingungen klarkommen usw..
Man gewöhnt sich - teils, um all sowas abhaken zu können, teils um dem Hundeleben mit Möchtegern-Staredom ein Gefühl von Coolness zu verleihen - eine Einstellung von "nach mir die Sintflut", "scheiß drauf" und "uns doch egal" an, und man nennt es "that's Rock'n'Roll".

Dazu bekommt man ja auch allerhand Gründe geliefert. Man hat ja so viel gesehen und gelesen und gehört von seinen Idolen, die zertrümmerte Bühnen, zertrümmerte Hotelzimmer, Drogenexzesse etc. nonchalant mit "That's Rock'n'Roll" abtaten, ein wissendes und charmantes Lächeln dazu - und wir fandens natürlich dann oftmals auch noch ultracool, lässig und rebel rebel und alles.

Jetzt muss ich aber hier mal in Newsgiris Fußstapfen treten und diese Frage nach dem legendären Rock'n'Roll-Livestyle mit anderen Lichtern beleuchten.

Wie cool ist dieses "that's Rock'n'Roll", und unter welchen Umständen?

Nehmen wir mal eine beliebige Band namens Trashcat (Name von der Redaktion nicht geändert).
Die machen Punk und Rock'n'Roll. Sie sind aus England, sie sind auf Tour in Deutschland.

Sie bemühen einen Booker namens Alen von PGL, weil sie händeringend einen Gig suchen, um einen day-off zu füllen.

Dieser Booker ist zufällig ein guter Bekannter des Rover.

Darum fragt Alen also (in diesem Fall), "Hey Rory, diese Band braucht noch ein date für ihren day-off, infrage käme da nur der Montag, wärst du bereit, extra für die aufzumachen, ich kümmer mich um Catering und darum, dass ein paar Leute kommen". Und Rory sagt zu.
Alen hat das immer gut gemacht bisher.

Rory muss also an dem Montag, normalerweise sein einziger richtig freier Tag in der Woche, erst eine Bierbestellung machen, mehrmals zum Rewe latschen, um Colas, Wasser, einen Kasten Bier für die Band herbeizuschaffen, und dergeleichen mehr.

Alen kocht Zuhause für die Band und karrt Essen und Teller an.

Um 18h stehen beide im Rover auf der Matte, denn da soll die Band zum Soundcheck eintreffen.

Um 22.15h stehen sie immer noch dort auf der Matte, und immer noch ist keine Band erschienen.

Alen hat selbstverständlich etliche Male versucht, die Herren und Damen auf ihren variösen Handies zu erreichen, aber ganz davon abgesehen, dass diese es offenbar nicht als nötig erachteten, vielleicht mal von selber anzurufen, gingen sie im Gegenteil noch nicht mal ans Telefon.

Als Trashcat um 22.15h mal endlich eintrudelten, waren sie sogar sowas von ultracool, dass eine Entschuldigung wohl unter ihrer Würde gewesen wäre.

Laut unserer (nicht von uns erfundenen) Auftrittsgesetzte ist um 22.15h die reguläre Spielzeit für elektrische Bands vorbei.

Ich glaube es ist überflüssig zu erwähnen, dass Rory zu diesem Zeitpunkt bereits nicht mehr auch nur die geringste Lust hatte, eine Ausnahme für die Band einzuräumen und derentwegen auch noch Ärger zu riskieren.

Und einerseits finde ich es zwar sehr dankenswert von Herzchen Dieter, dass er so spontan und flexibel war, kurzfristig die Band noch in sein HQ umzuleiten, wo sie dann doch noch spielen konnten, aber andererseits finde ich ehrlich gesagt: sie hatten es nicht verdient.

Sie hätten es verdeint gehabt, sich stumpf vor die Wand geparkt zu haben.

Niemand weiß besser als wir, wie viel auf so einer weiten Fahrt schief gehen kann - Leizig-Aachen ist kein Pappenstiel.

Aber weder schien es Gründe dafür gegeben zu haben, dass sie erst so spät loskamen, noch kann ich Gründe dafür finden, warum man nicht telefonisch Bescheid sagt oder zuallermindestens ans Telefon geht, wenn der verantwortliche Booker anruft.

Überflüssig zu erwähnen, dass nebst dem ganzen vergeudeten Arbeitsaufwand Rory und Alen es sich bei der nächsten infragestehenden Band zehnmal überlegen werden, eine solch nett-entgegenkommende band-unterstützende Sonderunternehmung einzulegen.

Diese Sorte Rock'n'Roll ist nicht cool. Sie ist schlicht und einfach scheiße.

Sie zerstört und sabotiert die Möglichkeiten für andere Bands, die professionell und bemüht versuchen, ihren Weg in einem neuen Land/einer neuen Region zu machen.

Sie zersört und sabotiert Booker wie Alen, die aus reiner Leidenschaft und Musikbegeisterung ihre Freizeit für solche Bands opfern, und die bei einem anderen Laden mit Garantiegabe auch noch draufgezahlt hätten.

Sie zerstört und sabotiert Läden wie das Rover, die wirklich und ehrlich Bands unterstützen wollen in ihrem teils schweren Los, eine neue Region zu erobern.

Das ist kein bisschen ccol, das ist kein bisschen Rock'n'Roll.

Leider lässt sich dahingehend eine Art Trend erkennen, und auch dazu will ich noch ein paar hoffentlich an den richtigen Orten nachdenklich stimmende Worte verlieren.

Unsere unkomplizierte Umgangsweise in Bezug auf Konzerte wird immer öfter als Freibrief betrachtet, mal eben, und erst auf Nachfrage, zwei Tage vor dem Gig den Gig abzusagen, gar nicht abzusagen und einfach nicht aufzutauchen, oder zwar aufzutauchen, es aber nicht wie versprochen für nötig befunden zu haben, sich um eine Aachener Vorband zu kümmern - so als wäre das reine Schikane gewesen und kein Mitdenken in weiser Voraussicht.
Ist es wirklich Rock'n'Roll 100 oder mehr km angereist zu sein, aufzubauen, Spoundcheck zu machen und dann vor zwei zahlenden Gästen zu spielen, wenn das nicht so hätte sein müssen?
In anderen Läden wäre das Vertragsbruch.

Ist es Rock'n'Roll, dass das Rover dann ein Wochenende in den roten Zahlen zu verbuchen hat und in der folgenden Woche nicht weiß, wie es die eingeplanten Rechnungen bezahlen soll?

Ist es cool, wenn man auf diese Weise Bands Termine weg nimmt, die sie ernsthaft wahrgenommen hätten?

Ist es cool, wenn mehr oder weniger der einzige Laden in Aachen, der immer noch keinerlei Garantien verlangt, dafür auf der Strecke bleiben muss?

Wenn all die anderen Bands, die diesen Laden unterstützen und auch von ihm profitieren wollen, solche Ausfälle wieder versuchen auszugleichen um zu retten was ihnen etwas bedeutet?

Nein. Die Antwort ist einfach und ohne Einschränkungen nein.

Ich wünsche allen Bands mit der Einstellung von Trashcat, dass sie fortan nur noch Gigs mit Garantieleistung von Seiten der Bands bekommen, und dass sie sich so lange blöd und dämlich bezahlen, bis sie entweder aufgeben müssen oder ihre Lektion gelernt haben.

In diesem Sinne: auf den wahren Rock'n'Roll. :)

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Montag, 21. September 2009
"...und davon kann man leben?" oder was ist eigentlich arbeit?
Situationen wie die folgende erlebt eigentlich jeder geräuschkunst-schaffende und/oder –dienstleister mit schöner regelmäßigkeit:
Man wird bei einem gesellschaftlichen anlass egal welcher art einer gruppe einem bis dato unbekannter menschen vorgestellt : „hallo zusammen, das ist übrigens mein mann/freund/kollege/whatever, der xy.“. im verlaufe des sich anschließenden smalltalks fällt dann mit unumstößlicher sicherheit irgendwann die frage: „und, wat machst du so?“ „ich bin musiker“ „echt, spielst du in ner band, oder was?“ „na ja, eigentlich in mehreren“ „ahh, und was macht ihr so für musik?“ „kommt drauf an, alles mögliche, viel cover, aber halt auch eigenes zeug, so ziemlich alles dabei von jazz bis metal, sag ich mal“ „ah ja, und was machst du sonst so?“ „nix, ich mach nur musik.“ „eeechhht, und davon kann man leben?“ (gedacht): „nein, ich bin eine metaphysische erscheinung, die man auf www.geisterfürjedegelegenheit.de als partygag buchen kann. In wirklichkeit bin ich nach beendigung meiner beruflichen ausbildung in kürzester zeit an unterernährung gestorben.“ (wirklich gesagt): „joo, geht schon, man wird halt nicht reich, aber zum leben reicht’s“ „na ja, dafür haste ja dein hobby zum beruf gemacht, ist doch auch was.“
Ist doch auch was, in der tat. man gewöhnt sich mit der zeit sogar daran, das wohlwollend-herablassende, das sich in der regel gegen ende der konversation in den tonfall des gegenübers einschleicht, schlicht zu überhören. Nichtsdestotrotz kann ich mich öfters nach solchen unter unterhaltungen der frage nicht erwehren, was denn eigentlich arbeit ist, und ob mein tun und lassen denn per engerer definition dazugehört. Die engere definition sieht für einen nicht unbeträchtlichen teil der menschen in unserem kulturkreis immer noch so aus: arbeit ist, was dem broterwerb bzw. der beschaffung des dafür notwendigen transfermittels geld dient.
Wenn ich also songs schreibe, die nicht morgen bei 1 live laufen, anschliessend einen dazu passenden part für mein instrument ersinne, diesen übe, um ihn angemessener weise darbieten zu können, mit einer band etliche stunden im proberaum verbringe, um dann ein konzert zu spielen, das zwar vielleicht sogar einige zuhörer findet, aufgrund der dafür notwendigen infrastruktur (siehe frühere verbale ausschweifungen in diesem blog) kaum gewinnt abwirft, ist dies alles mein privatvergnügen. Den teil des „vergnügens“ kann ich für weite teile des beschriebenen prozesses sogar durchaus gelten lassen, auch wenn es an manchen tagen schwerfällt sich bspw. Nach einem unterrichtstag an der musikschule (eindeutig „broterwerb“,bereitet aber auch immer wieder sehr viel vergnügen, wenn auch nicht konstant) oder sonntags, wenn man bereits Freitag und Samstag auf partys zur unterhaltung der gäste aufgespielt hat (dito), im dienste der kunst in den proberaum zu schleppen. „privat“ hingegen ist all das nicht: eine band, selbst wenn sie nur aus 2 leuten besteht, ist immer ein soziales gefüge, das den strukturen, die andere menschen an ihrem arbeitsplatz vorfinden, sehr ähnlich ist. Ein öffentliches konzert, egal wie gut oder schlecht besucht, ist schon dem namen nach alles andere als privat.
Nun ist es so. wenn man sich mal, bspw in zeitschrifteninterviews oder talkshows, die meinungen von leuten aus so unterschiedlichen bereichen wie wirtschaftswissenschaften und philosophie zu gemüte führt, die sich zu diesem thema gedanken machen, so stimmen diese sehr oft in einem punkt überein: vollbeschäftigung (gerade im momentanen wahlkampfwahn brandaktuelles thema) gibt es seit über zwanzig jahren nicht mehr und kann es aufgrund der in dieser zeit erwachsenen strukturen auch nie wieder geben. Schlussfolgerung: erwerbsarbeit als alleinig seligmachende existenzrechtfertigung ist ein auslaufmodell, es traut sich nur noch keiner, das zu sagen. Was an ihre stelle treten wird, weiss natürlich noch keiner so richtig, es kann aber letzendlich nur darauf hinauslaufen, das menschen ihren interessen, bedürfnissen und begabungen entsprechend etwas tun, was der gesellschaft zu gute kommt, ohne das man die tatsächlich dafür aufgebrachte lebenszeit 1 zu 1 in lohn übersetzt. Ich will eigentlich nicht zu politisch werden, aber trotzdem: was ist denn in diesem zusammenhang an der idee eines staatlich finanzierten grundeinkommens so falsch?
Kurzer nebenkriegsschauplatz zum thema „tatsächlich dafür aufgebrachte lebenszeit“: auch heute schon ist nicht alles, was in vielen berufen auf dem stundenzettel steht, tatsächlich erwerbsarbeit im oben beschriebenen engeren sinne. Ich will hier keinem auf die füße treten, und ich rede auch nicht von leuten, die morgens die karte einstecken und dann 8 stunden am fließband stehen oder von krankenhausangestellten, die aufgrund der unterbelegung ständig doppelschichten machen, oder,oder,oder. Ich habe mir aber in letzter zeit immer öfter mal den spass erlaubt, leute, die in den verschiedensten arten von büros arbeiten (auch hier gibt es natürlich zahlreiche ausnahmen) in privaten diskussionen zum thema mit der these zu konfrontieren, das sie die arbeit, für die sie täglich 8 stunden vor ort sind, auch in 5-6 erledigen könnten, wenn sie ernsthaft wollten und den einen oder anderen e-mail-check,etc. weglassen würden. In 95% der fälle habe ich ein schmunzelndes nicken als reaktion erhalten.
Wenn man das tatsächlich in die tat umsetzen würde, hätten die auch mehr zeit, auch unter der woche mal zu meinen konzerten zu kommen ;-).
Scherz beiseite: ein konzert kann menschen freude bereiten, sie vielleicht von irgendwas ablenken, was ihnen gerade auf den geist geht und, selbst wenn es ihnen nicht gefällt, vielleicht zum nachdenken anregen. Das ist meiner meinung nach ein gesellschaftlicher mehrwert. Ob man die vorbereitung und durchführung (musikalisch wie logistisch) eines solchen jetzt arbeit nennt oder nicht, ist letzten endes egal, es erfüllt jedenfalls für denjenigen, der es tut viele der obigen kriterien und ist somit sinnvoll und notwendig, unabhängig davon, wie viel euro nachher in der kasse sind.
Damit dieser etwas ernsthaftere beitrag nicht ganz den humoristischen touch verliert, habe ich für den eingangs beschriebenen dialog mal die imaginären seiten gewechselt:
„und, was machst du so?“
„ich bin arzt“
„ach echt, operierst du pateinten im krankenhaus und so?“
„nee, ich hab ne kleine allgemeinarzt praxis um die ecke von nem altenheim.“
„ahh, und was macht ihr da so für medizin?“
„na ja, eigentlich alles, viel husten/schnupfen/heiserkeit aber auch –herr doktor ich hab rücken- oder mal nen eingewachsenen zehennagel wegmachen und so.“
„und, das gibt bestimmt n haufen kohle, oder“
„na ja, is schon ordnung aber wennse kinder hast und n haus abbezahlen musst, is dat auch nich mehr die welt…“
„na ja, dafür haste wenigstens nen beruf, der gesellschaftlich anerkannt hast und wo du solche gespräche nicht dauernd führen musst, ist doch auch was, oder?“

…weiterführenden literatur zum thema gibt es übrigens von dem von mir sehr verehrten oliver uschmann, insbesondere in seinen büchern „vollbeschäftigung“ und „murp“, aber auch sven regeners „herr lehmann“ enthält einige aufschlussreiche passagen ;-)
Bis demnächst,
newsgini

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