Samstag, 16. Oktober 2010
make songs, not war
ja, liebe leser, ich bin mir der sprachlichen fragwürdigkeit des abgewandelten hippieslogans in der überschrift bewusst.
zur sache: ich war (wenn auch nur vergleichsweise kurz) auf einer veranstaltung mit dem klangvollen namen "songwriter-slam". das ganze lief folgendermaßen ab: 5 songwriter (einer davon ein aus dem publikum rekrutierter überraschunsgast, der zumindest vorgeblich nichts von seinem glück wusste und im weiteren verlauf nur noch als "held des abends" betitelt wurde) spielten in ausgeloster reihenfolge je einen selbstverfassten song und begleiteten sich dabei auf der akustischen gitarre. das publikum wurde in 6 gruppen unterteilt und jede gruppe durfte sich im direkten anschluss an den jeweiligen song 1 minute beraten, um dann mittels hochgehaltener kartons eine punktzahl von 1 (schlecht) bis 10 (gut) zu vergeben. die höchste und tiefste punktzahl wurde aus der wertung genommen, der rest vom moderator zusammengezählt und auf einer tafel festgehalten. das ganze 2 mal durch, und am sollten die beiden songwriter mit der höchsten punktzahl in einer finalrunde gegeneinander antreten (da war ich schon weg). die bühne betraten die teilnehmer übrigens zu den klängen der nationalhymne ihres herkunftslandes, der "held des abends" wurde hierbei mit "helden gesucht" von, ich glaub revolverheld begrüßt.
soweit die harten fakten. ich muss zugeben, das ich der sache schon vorher skeptisch gegenüber stand. man kennt ähnliche konzepte von poetry-slams, der unterschied besteht allerdings darin, das selbige eine lange tradition vorzuweisen haben. dichterwettsreite gab es schon im mittelalter, aber schonmal was von nem bardenwettstreit gehört? ich nicht. die einzige referenz, die mir spontan einfallen würde, wären die euro- bzw. bundesvisionsongcontests, aber ich kann mir kaum vorstellen, das diese veranstaltungen hier pate gestanden haben.
erschreckenderdings rückt dieser vergleich der wahrheit aber näher auf die pelle, als selbst ich trotz vorheriger skepsis zu befürchten gewagt hätte. die nummer mit der nationalhymne zum einmarsch kann man angesichts des veranstaltungsortes und dem dazugehörigen umfeld als ironisch gebrochen abtun, auch wenn ich persönlich denke, das gerade dem singer/songwriter-genre eine gewisse (nicht humorlose, aber doch vorhandene) ernsthaftigkeit zu eigen ist und diese art von ironie da etwas deplaziert wirkt (siehe "kunst und ironie" weiter unten).
schlimmer fand ich aber die praktischen auswirkungen des konzepts auf das musikalische erlebnis. dadurch das jeder nur einen song auf einmal spielt, und dann nach einminütiger beratungszeit des publikums sofort der nächste dran ist, jeder songwriter aber verständlicherweise auf seiner eigenen, ihm vertrauten gitarre spielen möchte, war zum einen der sound bescheiden, weil natürlich keine zeit für entsprechende klangliche feinjustierung war, zum anderen entsteht eine hektik, die dieser von natur aus eher ruhigen musik gar nicht gut steht. in einem fall führte das ganze sogar soweit, das eine künstlerin, um den "flow" nicht zu unterbrechen, noch nicht mal die ruhe hatte, ihre gitarre vernünftig zu stimmen, was zwar objektiv kein drama war, sie selbst aber beim spielen unübersehbarer weise empfindlich störte.
ganz davon abgesehen, das ich nicht weiß, wie man denn jetzt beispielsweise die poetisch-chansonartigen geschichten von renauld marquart, farah rielis sozial engagierte soullyrics und die auf musikalisches handwerk scheissende, bittere komik eines gerhard horriar überhaupt miteinander vergleichen soll, haben all diese subspielarten des songwritings eins gemein: sie brauchen zeit, eine atmosphäre aufzubauen und den zuhörer gefangen zu nehmen. das zerteilen in 3-4 minütige häppchen hat was von musikalischem fastfood: schmeckt in ordnung, tut niemandem weh und ist schnell verdaut und vergessen. poetryslammer verfassen mitunter auch romane, aber ihre slamtexte schreiben sie genau zu diesem zweck. ich kann mir allerdings selber nicht vorstellen, einen song mit dem hintergedanken zu schreiben, das er bei einem wettstreit bestehen muss, sonst könnte ich ja gleich bei bohlen, siegel und konsorten anheuern. musik ist eigentlich etwas, was menschen zusammen und nicht gegeneienander machen, deswegen gibt es jamsessions, open stages und dergleichen mehr. selbst ein songwriters table wie dereinst im parkside, wo eine handvoll songwriter um einen tisch sitzt, abwechselnd spielt und zwischendurch über das wie und wieso fachsimpelt, ist ne tolle sache, weil es was von einem blick hinter die kulissen im theater hat. der wettbewerbsgedanke bleibt dabei aber aussen vor, und das ist auch gut so.
ich will hier niemandem ans bein pinkeln, im gegenteil, ich freue mich sogar für die organisatoren der veranstaltung, das ihr konzept wirtschaftlich aufgeht (es war brechend voll), inhaltlich tut es das meiner subjektiven meinung nach aber nicht und ich würde mir wünschen, das all die dort anwesenden menschen in der folge auch mal dahin gehen, wo man den songwritern den raum gibt, das zu tun, was sie am besten können und ihre magie zu entfalten. ihr wisst schon wovon ich rede.
herzliche grüße, newsgini
p.s.: die metalcoverband, von der ich andernorts am gleichen abend noch ne halbe stunde gesehen habe, war auch nicht gut, aber unterhaltsam.
p.p.s.: die funk/hip-hop-session auf der der ich zu vorgerückter stunde und promillezahl auch noch war, war zwar scheisse besucht, hat aber immerhin eine spontankomposition mit der genialen hookline "bei der bundeswehr gibts keinen geschlechtsverkehhr" hervorgehabt. falls irgendein slammer das liest: gerne benutzen ;-).

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