Freitag, 12. März 2010
kunst und ironie
neulich entsponn sich in einem von mir geschätzten und frequentierten internetforum eine diskussion über einen artikel in der süddeutschen. der autor des artikels würde mir jetzt wahrscheinlich vehement widersprechen, da das hier aber meine kleine „garp-und-wie-er-die-welt-sah“-ecke ist, erdreiste ich mich, mein verständnis desselbigen hier einmal ganz platt zusammen zu fassen: wenn man was in der birne hat, stehen einem heutzutage unendlich viele möglichkeiten offen, sich selbst zu definieren. weil einem aber auch unendlich viele möglichkeiten offen stehen, sich über alles und jedes zu informieren (ich sach nur medienzeitalter), weiß man schon alles und hat alles schon wissenschaftlich durchleuchtet, bevor man’s selber erlebt hat. das führt zu ermüdung, desillusioniertheit und flucht in die ironie, „kenn ich schon alles, is alles schon mal dagewesen“. die erlösung suchen solche menschen laut autor im rausch und in berühmtheits/-künstlerphantasien. er behauptet, heutzutage würde jeder der obig beschriebenen gruppe zugehörige ein künstler sein wollen.
in der sich daran anschließenden diskussion in besagtem forum wurde unter anderem die interessante these aufgestellt, das, wenn man sich denn einmal selber in diesen topf geschmissen hat, es schwierig wird, irgendetwas ernst genug zu nehmen, um es wirklich zu wollen und in der folge damit tatsächlich irgendetwas anzufangen,oder gar etwas zu „bewegen“.
nun ist es so, das ich per äußerer definition tatsächlich wohl „künstler“ bin. ich habe ein konservatorium besucht, bestreite einen teil meines lebensunterhalts damit, auf der bühne zu stehen und zahle in die künstlersozialkasse ein, also sagt die gesellschaft, ich sei ein künstler.
nun kann man über den kunstbegriff natürlich eeeendloooos diskutieren, ich für meinen teil benutze den begriff „künstler“ eigentlich nur, um auf erheiternde art gelegentliche verhaltensentgleisungen wie zu-spät-kommen,volltrunken-dummes-zeug-erzählen oder stundenlang-nutzlos-aus-dem-fenster-starren zu entschuldigen, hey, ich bin schließlich künstler ;-).
scherz beiseite: als musiker erlernt man ein handwerk, nämlich vermittels bestimmter techniken (bewegungsabläufe) und mit bestimmten hilfsmitteln (intrumente) ein bestimmtes rohmaterial (schwingende luft) so in eine bestimmte form zu bringen (töne), das andere menschen es als angenehm, anregend, berührend, was auch immer, empfinden. man selber im idealfall natürlich auch. jetzt frage ich mal ganz doof: was macht denn bspw. ein journalist, egal ob er über das nachwuchsturnier des tsv kötteldorf oder den leitartikel im spiegel schreibt? er bringt mittels bestimmter techniken (inhaltliche gliederung, rhetorische stilmittel, etc.) und bestimmter hilfsmittel (stift und papier bzw. computer und rechtschreibprogramm…) ein rohmaterial (das nachwuchsturnier, die wirtschaftskrise…) in eine form, die andere menschen als informativ, spannend, anregend, etc. empfinden. was macht ein metzger? er bringt mittels bestimmter hilfsmittel…………in eine form, die andere menschen als schmackhaft, ausfüllend ;-), anregend…..ihr wisst schon.
ja, aber,aber,aber, könnte man jetzt fragen, die inspiration, der individuelle ausdruck des künstlers, was is denn damit? gegenfrage: warum liest man bestimmte zeitungen oder magazine lieber als andere, warum schmeckt mir die leberwurst von metzger x besser als die von metzger y?
ich will hier weder meine eigene tätigkeit abwerten, noch irgendwelche mythen entzaubern, natürlich ist gute kunst, egal ob im museum, theater, konzertsaal oder wo auch immer, im idealfall ein sinnliches erlebnis. aber ein interessanter zeitungsartikel oder eine gute leberwurst unter umständen eben auch, also wo zieht man die grenze?
worauf mich allerdings der oben angesprochene artikel bzw. die darauf folgende diskussion (wieder mal) gebracht hat, ist folgendes: die ironie, das offensichtlich erlebnismüde, das zur-schau-stellen der tatsache, das man das alles schon mal gesehen hat, ist unter künstlern tatsächlich wesentlich weiter verbreitet als anderswo. in bestimmten stilistiken gehört es fast schon zum guten ton, sowohl bei den eigenen darbietungen als auch beim besuch derer von kollegen gelangweilt zu gucken, auf fragen nach dem gefallen einsilbig oder ausweichend zu antworten, oder beispielsweise (im bereich musik) werken titel zu verpassen, die dem zuschauer die ihnen innewohnende ironie wie vom bungeeseil fallen gelassen ins gesicht schleudern. nicht falsch verstehen: ironie ist ne wunderbare sache und kann den alltäglichen umgang mit unliebsamem enorm erleichtern, unterhaltungen bereichern,uns erheitern und vieles mehr. legt man sie allerdings als grundsätzlichen filter über alles, insbesondere über (allgemeingültig formuliert) „kunst“, beraubt sie einen der möglichkeit, sich für irgendetwas rückhaltlos und völlig natürlich einfach nur zu begeistern, und das ist äußerst schade.
wenn ich nen politischen journalisten nach seinem letzten artikel über nahost frage, sollte ich mir ne stunde zeit nehmen, aber hinterher weiß ich mehr. wenn ich bei der fleischerei lemmen 3 pfund schweinebraten kaufe, bekomme ich nen 5-minütigen vortrag über die ideale zubereitung gratis dazu. und der braten war lecker ;-). warum muss also in bestimmten bereichen der kunst alles 3 bis 4-mal gebrochen sein, bevor es in die welt entlassen wird?
so, wer schon das ein oder andere pamphlet von mir in diesem blog gelesen hat, weiß, am ende kommt immer der rover-bezug, und auch diesmal lass ich’s mir nicht nehmen: das rover kommt mir, im direkten vergleich mit mach anderem laden, manchmal in dieser hinsicht wie ein hort der aufrichtigkeit vor. ich habe an anderer stelle schon das konzert von smokestack lightnin gelobt, prima beispiel: eine deutsche band, die countryrock spielt, von highways und southbound trains singt, mit einem sänger, der hut trägt und kontrabass spielt, da liegt der ironieverdacht mehr als nahe. nur, ich hab die ironie nicht entdecken können, also bin ich entweder zu blöd, oder die haben’s so gemeint. unterhaltsam und witzig war’s trotzdem.
skoob erzählt so manches mal am laufenden meter blödes zeug, verarscht leute, wo sie dabei stehen, usw.. aber wenn er spielt?? selbst zum 738. mal „all along the watchtower“ wirkt auf mich nicht ironisch gebrochen. die kiddiepunkband, die zu 2 akkorden 3 minuten lang „fuck the naziscum“ brüllt? sie tut’s mit einem heiligen ernst. das hat was, wenn man’s zulässt, und ist mir (meistens zumindest) lieber und näher, als eine ironischer schleier über einer eigentlichen herzensangelegenheit. man kann ja auch die musik ernstnehmen, ohne sich selber gleich mitnehmen zu müssen. zu guter letzt noch zwei zitate, die sich nur scheinbar widersprechen:
„it ain’t art until somebody says so“ von wem, weiß ich leider nicht,
und stefan raab noch vor tv-total zeiten auf die frage: „kommt kunst von können oder von machen?“
„von können, sonst hieße es ja munst“
bis dann, newsgini

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Mist, seit wir live schon darüber gesprochen haben ist mir irgendwie der Wind aus den Segeln genommen, meinen Senf jetzt auch noch mal schriftlich dazu zu geben. :-)

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