Dienstag, 9. Februar 2010
die szene und der knigge
„szene“ ist einer dieser begriffe, die alles und nichts bedeuten können. meistens ist das, was man landläufig so als szene bezeichnet, eine äußerst heterogenes grüppchen von menschen mit sehr breitgefächerten interessen, meinungen und intentionen. und damit stecke ich schon mittendrin in einem definitionsversuch, der eigentlich nur großformatig in die hose gehen kann, den ich hier aber „for the sake of argument“ trotzdem mal fortsetzen möchte. zunächst mal braucht eine szene irgendeinen sammelbegriff, etwas, das sie sozusagen eint, einen gemeinsamen nenner, der es überhaupt erst möglich macht,die obig beschriebene gruppe von menschen in einen topf zu werfen (rein bildlich gesprochen, versteht sich, das soll ja hier kein aufruf zum kannibalismus werden). in unserem fall ist dieser gemeinsame nenner die musik, genauer gesagt die live-musik in all ihren darreichungsformen vom peruanischen panflötenspieler in der fußgängerzone bis zum dj-set mit live-percussion im club.
wer gehört denn nun alles dazu? im grunde genommen alle, die regelmäßig zeit mit irgendeinem der zahlreichen aspekte solcher veranstaltungen verbringen: die musiker (klar…), die tontechniker, die konzertveranstalter, die kneipenbesitzer, die booker , die thekenkräfte, berichterstatter von zeitungen und stadtmagazinen, natürlich all die vielen regelmäßigen konzertgänger, die den ganzen quatsch überhaupt erst ermöglichen (siehe meine früheren ausführungen in diesem blog zum thema „kasse“), und zahllose andere menschen, die in irgendeiner form zum stattfinden und gelingen von veranstaltungen mit livemusik beitragen. im idealfall eint all diese menschen über die eigentliche sache (die musik natürlich….;-) hinaus noch etwas, einer dieser völlig überdimensionalen begriffe, bei denen man immer dreimal schlucken muss, bevor man sie über die lippen bringt: der vielbeschworene „szenezusammenhalt“ (pfuuh, uuuund ausatmen…).
und genau hier kommt der im titel erwähnte herr knigge ins spiel. kurzer blick ins www und schon kann man rumklugscheißern: adolph freiherr knigge (1752-1796) hat sich, entgegen der heute landläufig herrschenden meinung, nicht in erster linie damit befasst, das man damen die tür aufhält und in den mantel hilft und zum geschäftsessen nicht im hawaihemd erscheint, sondern eine art praktische moralphilosophie entwickelt, die er in seinem bekanntesten werk „über den umgang mit menschen“ zu papier gebracht hat. ich werde jetzt niemandem vorgaukeln, ich hätte dieses werk tatsächlich gelesen, aber von „moralphilosophie“ (pfuuuuuh, schon wieder son wort…) und dem „umgang mit menschen“ lässt sich ein formschöner bogen zum angesprochenen szenezusammenhalt schlagen. wenn man die oben erwähnten bevölkerungsgruppen mal aus der nähe betrachtet, fällt eine weitere gemeinsamkeit sofort ins auge: die wenigsten werden von ihrem tun und lassen reich, im gegenteil, eine einigermaßen konstante füllhöhe des eigenen kühlschranks zu gewährleisten ist vielen schon herausforderung genug. diese kombination aus idealistischer begeisterung für die gemeinsame sache (musihiiik…) und wirtschaftlicher realität bringt für alle „szeneangehörigen“ eine gewisse verantwortung mit sich, denn was will man, wenn man schon nicht das große geld absahnt?? richtig: anerkennung und eine gute zeit. nun kann es immer mal passieren, das dem erreichen dieses ziels dinge im wege stehen. ein beispiel: eine rockband macht sich freitags nachmittags direkt nach beendigung des brot-und-butter-jobs auf den weg in eine 200 km entfernte stadt, um dort (unentgeltlich, versteht sich) einen auftritt bei einem kleinen rockfestival in einem jugendheim zu spielen. aufgrund des ferienbeginns in einem benachbarten bundesland herrscht stau auf der autobahn, die anreise verzögert sich, man erreicht den veranstaltungsort ca. 5 minuten vor konzertbeginn. hat die band nun den veranstalter bei absehbarkeit eines solchen ereignis, sagen wir mal, 1 stunde vorher per handy informiert, sich entschuldigt und ihre unschuld beteuert, so wird dieser in aller regel den tontechniker informieren, sich evt. kurz an das publikum wenden und um verständnis für eine kleine verzögerung im programm bitten, mit den bereits anwesenden anderen bands über eine equipmentmitnutzung zur vermeidung von umbaupausen reden oder vielleicht ein paar leute organisieren, die beim ausladen des bandfahrzeugs helfen.
hat es nun aber eines der zahlreichen möglichen „kommunikativen missverständnisse“ gegeben (ankunfts-und anfangszeit verwechselt, kein tontechniker da, uneinsichtigkeit einer beteiligten partei, akku leer, kein netzempfang, schlechter oder gar kein….na ihr wisst schon bei einem oder mehreren an der situation beteiligten, etc.,etc…..) wird sich die ganze sache eher so abspielen:
veranstalter (bei ankunft): „boooah, da seid ihr ja endlich, ich dachte schon, ihr kommt überhaupt nicht mehr, habt ihr keine uhr/kein handy???“
band: „jetzt mach mal halblang, wir ham grad 2 stunden im stau gestanden, ist das unser problem, wenn du nicht erreichbar bist, könn wir jetzt mal erstmal n bier haben, oder was?“
tontechniker (gerade dazugestoßen) :“könnten die herren sich jetzt vielleicht langsam zur bühne bequemen, wir ham nicht das ganze wochenende zeit, soundcheck könne wir jetzt sowieso vergessen….“
publikum und anlage (bei konzertbeginn): „pfeeeeeiiiiiiif…“
alle haben schlechte laune, das konzert wird totaler mist, alle gehen nach hause und hatten nen scheißabend. vom umgang mit menschen…..
anderes beispiel: eine band muss ihr konzert gaaanz kurzfristig absagen, weil eines der bandmitglieder unpässlich und nicht ohne weiteres zu ersetzen ist. so was kann passieren, auch gaaanz kurzfristig.
variante 1: der rest derband meldet sich persönlich beim veranstalter/kneipenbesitzer/den anderen bands, mit denen man die bühne zu teilen gedachte, entschuldigt sich vielmals, erscheint am abend trotzdem am veranstaltungsort, gibt den evt. umsonst erschienen zuhörern ein bier auf die bandkasse ausund trinkt selber noch ein paar, weil sie ohnehin nix besseres zu tun hatten und sich mit dem auf umsatz angewiesenen wirt solidarisch zeigen wollen.
ergebnis: schade, das der gig nicht stattgefunden hat, aber alle haben trotzdem nen brauchbaren abend, verabschieden sich mit beileidsbekundigungen an den armen unpässlichen und beteuern, „auf jeden fall demnächst mal was zusammen zu machen“.
variante 2. die band schreibt eine kurze mail, in der steht, das sie nicht können (sonst nicht viel) oder taucht einfach nicht auf und ist in der folge weder persönlich noch telefonisch noch sonst irgendwie erreichbar.
ergebnis: der wirt/veranstalter/die anderen bands, mit denen man die bühme zu teilen gedachte, sind stinksauer, das evt. umsonst erschienene publikum auch und zieht erbost wieder von dannen. der wirt macht keinen umsatz (obwohl vielleicht wochenende ist und er es gut brauchen könnte, ich sag nur kühlschrank) und keiner der beteiligten wird die band je wieder sehen wollen. vom umgang mit menschen…
man könnte die liste noch endlos fortsetzten, Unhöflichkeit gibt es auf allen seiten immer wieder mal, wenn auch glücklicherweise nicht allzu häufig. worauf ich hinaus will: derartiges verhalten ist, auch wenn es auf reiner gedankenlosigkeit basiert, äußerst unloyal und das gegenteil von dem, was ich weiter oben „szenezusammenhalt“ genannt habe, denn es resultiert in gegenseitiger antipahtie und wirkt so auf eine wie auch immer geartete szene eher zersetzend.
ich spreche im übrigen hier von einer kleinkunst/-musik-szene, in der es, wie bereits erwähnt, nicht um das große geld geht und viele leute mit ehrlichem enthusiasmus ihre „arbeit“ (auch dazu siehe frühere blogartikel) verrichten. im unterhaltungs/dienstleistungs-musik-sektor herrschen etwas andere gesetzmäßigkeiten und realitäten, aber dazu vielleicht ein andermal.
wie immer ist das alles meine höchst subjektive, persönliche meinung und die adminna in keinster weise für mein geschreibsel verantwortlich.
tätä-tätä-tätä (is ja karneval),
newsgini

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Das schließt für mich grad im Moment so exorbitant viele Kreise auf einmal, dass ich ausnahmsweise mal wirklich gar nichts mehr hinzufügen will. :-)

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