Donnerstag, 17. Dezember 2009
jazz-rock, rock-jazz, country-pumk, reggae-metal und wieso eigentlich nicht??
es ist noch gar nicht lange her, da schrieb die hochgeschätzte mrs. o’grady in einem konzertrückblick (sinngemäß, evt. ungenauigkeiten bitte ich zu entschuldigen oder zu korrigieren) : „…. eine art von jazz bzw. jazz-rock, die zu begeistern vermochte, weil sie tatsächlich auch mal zum rhythmischen mitwippen und kopfnicken animierte und ausserdem sogar mit melodien aufwarten konnte, die im ohr blieben….“.
schnitt, nächste szene. ebenfalls vor noch nicht allzu langer zeit bemerkte ein kollege nach einem soeben beendeten live-konzert: „sag mal, fand’s du das jetzt wirklich cool? ich weiß irgendwie nicht, waren ja gute leute und konnten alle spielen und so, aber richtig rock geht ja irgendwie anders, und richtig reggae geht irgendwie auch anders, usw.usw…..“
was entnimmt der geneigte leser diesen zeilen?
1.) jazz ist normalerweise zum mitwippen ungeeignet und eher wenig melodiös.
2.) das konzert, das gegenstand der unterhaltung in szene 2 war, wies eine gewisse musikstilistische unentschlossenheit auf.
ich beginne meine weiteren, ääh, betrachtungen mal damit, 2 verschiedene typen musiker, so wie sie vor volkes geistigem auge erscheinen, klischeehaft zu kategorisieren.
da hätten wir zunächst den rockmusiker. der rockmusiker trinkt bier,hat lange haare, trägt lederjacke oder jeans-kutte mit bandaufnähern, ist in gesellschaft gerne mal laut, hat einen mindestens3wennnichtmehr-tage-bart und riecht manchmal ein wenig streng.
im gegensatz dazu der jazzer: er trägt cordsacko über schwarzem rollkragenpullover, spricht leise über musikalische sachverhalte, die man nicht versteht und wahnsinnig wichtige platten, von denen man noch nie gehört hat, schlürft dabei rotwein und blickt unter seinem kurzhaarschnitt ironisch über den rand seiner hippen hornbrille.
so weit, so gut, aber leider: vollkommen falsch. ich kenne eine ganze latte jazzmusiker, die lederjacken tragen und ein frischgezapftes jedem chateau migraine vorziehen, genauso wie ich schon frisch rasierte mitglieder von hardrockbands nach ihren konzerten über inszenierungsdetails zeitgenössischer theaterstücke habe diskutieren hören. wenn die allgemeinheit wüsste, wie viele mitglieder von deathmatal-bands heimlich auf dem konservatorium waren, oder umgekehrt, wie viele klangavantgardisten noten nicht von fliegenschiss auf linien unterscheiden können…..wir hätten wahrscheinlich strassenschlachten und die revolution vor der haustür.
scherz beiseite: kategorisierungen und, jawohl, klischees erleichtern das leben, denn wie will man denn überhaupt irgendetwas einordnen und zumindest für sich selbst bewerten, wenn man keine referenz hat, an der man sich orientieren kann? im falle der kunstform musik stößt man hier allerdings recht schnell auf ein handfestes problem, denn wie entsehen überhaupt musikalische genres (und ist das überhaupt ein real existierender plural) ? ich denke, in etwa folgendermaßen: musiker tun etwas, was es in dieser form bisher noch nicht gegeben hat, und treten damit an die öffentlichkeit. kommen nun mehrere menschen dieses typus zur etwa gleichen zeit mit ähnlich klingenden dingen um die ecke, erzeugt dies eine publikumsseitige wahrnehmung und bevor man beispielsweise „seattle“ sagen kann, hat irgendjemand ein griffiges schlagwort erfunden, um die ergüsse dieser menschen zu bezeichnen und eine bewegung, ja, ein genre, ist geboren. jetzt haben die, die als erste damit in der kneipe um die ecke die bühne betreten haben, einen entscheidenen vorteil: sie verkörpern fortan die „reine lehre“. jeder andere, egal, ob er schon seit 5 jahren über die gleichen sachen nachgedacht hat oder nicht, wird sich von da ab den vorwurf des epigonentums gefallen lassen müssen. weil das aber kein künstler gerne auf sich sitzen lässt, geschieht nun das, was in solchen fällen immer geschieht: das gerade frisch geborene genre wird, kaum das es mal in ruhe zu atem kommen konnte, weiterentwickelt. irgendjemand sitzt im proberaum und denkt. „naja, is ja ganz cool was der xy da gemacht hat, aber wenn man da mal diesenoderjenen groove drunterpackt, alter, wie fett wird das denn???“…und schon geht das spiel von vorne los.
ich persönlich finde das toll, denn es hält die sache in bewegung. ich gebe aber durchaus zu zu, das es die oben erwähnten klischee-figuren tatsächlich auch im wahren leben zu bestaunen gibt. kurzer schlenker zu diesem thema: ich war vor ein paar monaten mit dem gastwirt unseres vertrauens nach getaner arbeit (seiner, ich war schon länger fertig ;-) zum abschluss des abends auf einer jazzsession. da standen dann tatsächlich drei bläser, pianist, gitarrist und rhythmusgruppe und spielten 10 minuten lang einen swing-standard, der schon vor 50 jahren alles andere als modern war. irgendwann drehte sich mein begleiter dann zu mir um und sagte: „you know, that’s precisely what i don’t get about this kind of music: they’re all just standing around waitin their turn. there’s no group thing and no nothing going on….“
tatsache und well put, my friend. nur: jazzsessions sind kontaktbörsen für muskier, auf denen halt jeder mal zeigt, was er so geübt hat. mit einer „normalen“ konzertsituation hat das nur am rande zu tun, und wenn man nicht drinsteckt…..schickt mal nen überzeugten fahrradfahrer auf ne messe für autotuningartikel oder nen nichtschwimmer auf die „boot“ und guckt, was die auch hinterher erzählen…
noch skurrilere blüten treibt der genre-purismus in den zahlreichen käuflich zu erwerbenden musik-magazinen (die ich übrigens mittlerweile schon als hobby lese und sammle). hier wird mitunter alles verdammt, was auch nur den hauch des verdachts eines eventuellen stilistischen übergriffs gedanklich aufkommen zu lassen drohen könnte. damit einher geht eine genrespezifische sprache, die in bezug auf ihren unterhaltungswert jedes titanic-heft in den schatten stellt. so kann man bspw. im juice-magazin (hip-hop lifestyle and culture,yo homie!) erfahren welcher Mc welchen anderen „derbe abfeiert“ weil dessen „skills und delivery echt krass“ sind und welchen anderen er im gegnzug „hated“, weil sie es nicht sind, und vor allem, welche „hood“ dieser künstler „represented“, während man einer plattenkritik im rock hard-magazin entnehmen kann, welche „klassische todesblei-walze“ die „pommesgabel nach oben schiessen lässt“ weil sie nämlich „10 absolute nackenbrecher“ beinhaltet. na, wieder wat gelernt.
so, was hat das ganze nun mit der gastwirtschaft zu tun, die gegenstand diese blogs ist? ganz einfach: letzten endes geht’s darum was man macht, nicht wie man’s nennt, und im rover waren und sind sie alle: die metaller, die songwriter, die elektropopper, die jazzer, die rocker, die rastas und so weiter. der wahrscheinlich am häufigsten gesagte satz, wenn man musiker unterschiedlicher couleur zusammenbringt und sie sich lange genug beschnuppern lässt, ist: „ey, wir sollte echt mal was zusammen machen“. im rover kann und darf man das. es wird ein rahmen geboten, der einer weiterentwicklung einen boden bereitet. nichts gegen jazz im dumont, rock im bunker, punk im az, aber gerade die „ääh, geil, aber was war das denn“- momente, die gehören ins rover. gut so.
frohes fest, newsgini
p.s.: nein, ich bin nicht gekauft

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Aber wir würden glatt. ;-P

Yeah, I see your point. Und danke für die Ehrung als eins der genre-offensten Livemusiklokale Aachens. :-)

Ich möchte was zu der zwanghaften Schubladisierung im Lego-Technik-Baukastensystemverfahren sagen.

Dieses Problem wird wohl auch häufig bei dem Versuch geboren, jemandem eine neuartige Band zu beschreiben, eventuell schmackhaft zu machen, die aber nun mal deshalb interessant ist, weil sie was neues macht und in keine Schublade passt.

Das Problem dabei ist self-explaining: wie etwas beschreiben, für das es (noch) keine neuen Worte gibt, nur die alten Worte, die schon zu Klischees und Schubladen geworden sind, zu Plattitüden, die aber nun mal notdürftig zusammengestoppelt die einzige Begriffsform sind, die dem Gegenüber vermittelbar macht was man sagen will?

Es ist ein mir sehr vertrautes Problem, denn nun sitze ich hier ja oft genug und versuche zu erklären und zu beschreiben, was eine Band macht, wen das evtl. interessieren, ob sich das evtl lohnen könnte, und was man ungefähr zu erwarten hätte.

Tja, und was passiert? Man landet bei zusammengestzetn Wendungen wie "Melodic Altternative Rock mit nem Schuss Metal und paar Ska-Elementen, und der Sänger klingt bisschen wie Jim Morrison".
Hmpf. Ich finde das auch sehr semi ideal, aber ehrlich - was soll man machen? So hat man die richtige Zielgruppe zumindest gleich halbwegs am Schlafittchen, anhand der ewigen eingängigen Schlagworte.

Für mich darum die Erfindung schlechthin: Myspace! Endlich einmal einfach nur ein bissel gehaltsarmen, schlagwortfreien und nicht deskriptiven Ankündigungstext schreiben können, bei dem ich nicht meine zukünftige Leiche schon prospektiv sich im Grabe umdrehen sehe, und dann am Ende einfach Link rein - da! Hörts euch doch einfach selber an! Jippieh.

Aber natürlich im Printmedium z.B. nicht nutzbar...

Allerdings... Diese Genre-Gang-Bildung ist ein eigenes Thema für sich, da muss ich noch mal Luft holen und vielleicht morgen noch mal zu anspringen, um mit dir ins selbe Horn zu tuten. :D

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