Mittwoch, 7. August 2013
leo liveman vs. ingo institute
newsgini letterowitsch, 14:13h
....und direkt noch einer, weil's gerade soviel spaß macht.
Eins vorweg: die überschrift geht leider nicht auf mein konto, sondern gereicht einem herrn namens abi von reininghaus zu ehre, der vor etlichen jahre in dem musikermagazin “gitarre&bass” eine kolumne namens “in vivo guitar” zu schreiben pflegte, deren themenauswahl abseits des rein fachlichen der meinen nicht ganz unähnlich war. Könnt ihr ja mal googeln.
Im letzten blog hab ich in einem nebensatz die frage gestellt, ob eine “institutionalisierung” der ausbildung im rock-und popbereich, wie sie seit mittlerweile schon einigen jährchen an musikschulen und universitäten stattfindet, nicht das entscheidende quentchen individualität abtötet, das den tollen musiker vom soliden tonhandwerker unterscheidet. Oder einfacher: muß denn diese letzte oase des “machen-was-und-wie-man-will” auch noch verschult werden??
zwar hat das thema schon einen langen bart, und mit ein bißchen nachdenken landet man schnell bei einem klaren “jein” als antwort, trotzdem kommt es nach wie vor fast unweigerlich auf den gesprächsteller, wenn irgendwo auf der welt mehr als 2 musiker länger als 2 bier zusammensitzen.
Vorneweg: einige der besten musiker, die mir in meinem leben begegnet sind, haben nie eine musikschule von innen gesehen. Trotzdem verfügen sie aber über ein umfangreiches wissen über ihr jeweiliges fach/instrument, manche sogar weit darüber hinaus über unzählige aspekte des musikmachens im allgemeinen. Und hier kommt der erste interessante aspekt ins spiel: im gegensatz zu sagen wir mal ingenieurswissenschaften, medizin, jura o.ä., wo man, zumindest in unserem kulturkreis, den aus einem studium resultierenden beruf ohne ein ebensolches studium und einen entsprechenden abschluss nicht ausüben kann und auch nicht darf, ist alles wissen, was man braucht, um ein guter musiker zu werden (...was das genau ist, wäre wieder ein eigenes thema...) frei verfüg- und erlernbar. Ich stelle mal die gewagte these auf, das es für einen menschen mit viel zeit, nerven und selbstdisziplin möglich wäre, mit einer gut sortierten auswahl von 8-10 lehrbüchern, die er/sie von vorne bis hinten durchackert, auf fast jedem instrument ein ausbildungsniveau zu erreichen, das einem hochschulabsolventen absolut ebenbürtig, wenn nicht überlegen ist. Rein akademisch, versteht sich.
Von der anderen seite betrachtet: wenn jemand 4 griffe auf der wanderklampfe gezeigt bekommt und sich im laufe der folgenden jahre ohne weitere anleitung durch den kompletten beatles-katalog arbeitet, anfängt, selber songs zu schreiben, bands gründet und wieder auflöst, wird er irgendwann ein ziemlich umfassendes wissen über gitarrespielen, songstrukturen und harmonik, satzgesänge u.v.m. erwerben.
Beide fiktiven musikerpersönlichkeiten haben jetzt mit speziellen problemen zu kämpfen: kandidat 1 wird probleme haben, vieles von dem, was er sich zu hause erarbeitet hat in die praxis umzusetzen, da ihm die nötige erfahrung fehlt. Er weiß nicht, welches vokabular in welcher situation angemessen zum einsatz gebracht werden kann und wie er dinge, die im proberaum noch gut funktioniert haben, im wirklichen leben zum klingen bringen kann, bzw. wann es eventuell im sinne des musikalischen gesamterlebnisses ist, einfach mal nichts zu spielen.
Kandidat 2 begreift zwar viele dieser probleme und ihre lösungen intuitiv, rennt aber immer dann vor eine wand, wenn er an die grenzen seines musikalischen wissens stösst, oder seine vorstellungen seinen mitmusikern nicht angemessen kommunizieren kann, weil ihm das entsprechende fachliche vokabular fehlt, insbesondere wenn's mal schnell gehen muß und man nicht den langen weg des ausprobierens-bis-alles-passt gehen kann.
Beide können ihre jeweiligen lücken nur schließen, indem sie sich in situationen begeben, die sie aus ihrer komfortzone herauslocken, der eine indem er spielt, spielt, spielt, der andere, indem er sich hinsetzt und versucht, das, was er inhaltlich weiß, auch analytisch zu durchdringen. Wenn sie denn wollen.
Und damit bin ich beim wichtigsten punkt: wollen! Auch das ist das tolle an musik: es muß nicht jeder alles können, noch nicht mal in grundzügen. Ein gitarrist in einer punkband muß nichts über jazzharmonielehre wissen, ein klassischer cellist muß keinen blues spielen, etc., etc, etc. ABER: es schadet auch nicht. Im gegenteil, es gibt viele, viele bereiche, wo dinge ineienander fliessen, und gerade da wird es oft besonders spannend. Man muß sich aber darauf einlassen wollen. breites wissen ist für spezialisten nicht notwendig, hinderlich ist es aber auch nicht, und wenn man sein spezialgebiet aus was für gründen auch immer mal verlässt, kann es unheimlich viele türen öffnen.
Ich selbst habe 16 jahre ununterbrochen unterricht auf verschiedenen instrumenten gehabt und 2 diplome als musiker, die in irgendeiner schublade vor sich hingammeln. ich habe immer noch oft das gefühl, eigentlich keine ahnung zu haben.
Vieles, was ich heute oft anwende, habe ich von leuten gelernt, die einfach gemacht haben, ohne zu wissen, warum sie das gerade machen. Warum die rhythmische auffassung in einem bestimmten stil anders ist als in einem anderen, kann man nicht aufschreiben, sondern muß es beim spielen erfahren. ich freue mich wie ein kleines kind, wenn ich mich beim rumdudeln auf der giatrre vergreife und dabei zufällig einen akkord entdecke, der einfach cool klingt. Die fähigkeit, im nachhinein zu analysieren, was das denn nun eigentlich gerade war, tut der sache keinen abbruch. Wenn im proberaum oder auf der bühne etwas geil ist, obwohl es das akademisch betrachtet nicht sollte, ist mir das sch%&§))egal.
Die ausbildung hat aber ohne zweifel viel gebracht. Ich kann mich in stile und musikalische umgebungen, die mir nicht vertraut sind, recht schnell einfinden. ich finde oft abkürzungen, die mir und allen beteiligten in alltäglichen musikalischen situationen zeit sparen. Ich glaube nicht, das das meiner individualität abbruch tut, ich habe halt einfach nicht das eine ding, das mich auszeichnet und wiedererkennbar macht, sondern kann im see, im hallenbad und im meer schwimmen.
Genug selbst gelobt und breitgetreten: jeder musiker kommt an einen punkt, an dem er entscheiden muß, was er können will/können sollte. Wie diese entscheidung ausfällt, ist nur im kontext der musik, die er machen will relevant. Eine formelle musikalische aubildung kann dabei helfen, sich einen überblick zu verschaffen, abkürzungen aufzeigen oder auch mal punktuell technische probleme lösen. Zwingend notwendig ist sie nicht. Das eine wie das andere als einzig selig machenden weg zur erleuchtung auf einen altar zu stellen, aber auch nicht. Man braucht leute, die wege verlassen und mauern einreißen, aber auch leute, die straßen teeren und häuser bauen.
So, lasst mal zusammen musik machen,
cheers, newgini
Eins vorweg: die überschrift geht leider nicht auf mein konto, sondern gereicht einem herrn namens abi von reininghaus zu ehre, der vor etlichen jahre in dem musikermagazin “gitarre&bass” eine kolumne namens “in vivo guitar” zu schreiben pflegte, deren themenauswahl abseits des rein fachlichen der meinen nicht ganz unähnlich war. Könnt ihr ja mal googeln.
Im letzten blog hab ich in einem nebensatz die frage gestellt, ob eine “institutionalisierung” der ausbildung im rock-und popbereich, wie sie seit mittlerweile schon einigen jährchen an musikschulen und universitäten stattfindet, nicht das entscheidende quentchen individualität abtötet, das den tollen musiker vom soliden tonhandwerker unterscheidet. Oder einfacher: muß denn diese letzte oase des “machen-was-und-wie-man-will” auch noch verschult werden??
zwar hat das thema schon einen langen bart, und mit ein bißchen nachdenken landet man schnell bei einem klaren “jein” als antwort, trotzdem kommt es nach wie vor fast unweigerlich auf den gesprächsteller, wenn irgendwo auf der welt mehr als 2 musiker länger als 2 bier zusammensitzen.
Vorneweg: einige der besten musiker, die mir in meinem leben begegnet sind, haben nie eine musikschule von innen gesehen. Trotzdem verfügen sie aber über ein umfangreiches wissen über ihr jeweiliges fach/instrument, manche sogar weit darüber hinaus über unzählige aspekte des musikmachens im allgemeinen. Und hier kommt der erste interessante aspekt ins spiel: im gegensatz zu sagen wir mal ingenieurswissenschaften, medizin, jura o.ä., wo man, zumindest in unserem kulturkreis, den aus einem studium resultierenden beruf ohne ein ebensolches studium und einen entsprechenden abschluss nicht ausüben kann und auch nicht darf, ist alles wissen, was man braucht, um ein guter musiker zu werden (...was das genau ist, wäre wieder ein eigenes thema...) frei verfüg- und erlernbar. Ich stelle mal die gewagte these auf, das es für einen menschen mit viel zeit, nerven und selbstdisziplin möglich wäre, mit einer gut sortierten auswahl von 8-10 lehrbüchern, die er/sie von vorne bis hinten durchackert, auf fast jedem instrument ein ausbildungsniveau zu erreichen, das einem hochschulabsolventen absolut ebenbürtig, wenn nicht überlegen ist. Rein akademisch, versteht sich.
Von der anderen seite betrachtet: wenn jemand 4 griffe auf der wanderklampfe gezeigt bekommt und sich im laufe der folgenden jahre ohne weitere anleitung durch den kompletten beatles-katalog arbeitet, anfängt, selber songs zu schreiben, bands gründet und wieder auflöst, wird er irgendwann ein ziemlich umfassendes wissen über gitarrespielen, songstrukturen und harmonik, satzgesänge u.v.m. erwerben.
Beide fiktiven musikerpersönlichkeiten haben jetzt mit speziellen problemen zu kämpfen: kandidat 1 wird probleme haben, vieles von dem, was er sich zu hause erarbeitet hat in die praxis umzusetzen, da ihm die nötige erfahrung fehlt. Er weiß nicht, welches vokabular in welcher situation angemessen zum einsatz gebracht werden kann und wie er dinge, die im proberaum noch gut funktioniert haben, im wirklichen leben zum klingen bringen kann, bzw. wann es eventuell im sinne des musikalischen gesamterlebnisses ist, einfach mal nichts zu spielen.
Kandidat 2 begreift zwar viele dieser probleme und ihre lösungen intuitiv, rennt aber immer dann vor eine wand, wenn er an die grenzen seines musikalischen wissens stösst, oder seine vorstellungen seinen mitmusikern nicht angemessen kommunizieren kann, weil ihm das entsprechende fachliche vokabular fehlt, insbesondere wenn's mal schnell gehen muß und man nicht den langen weg des ausprobierens-bis-alles-passt gehen kann.
Beide können ihre jeweiligen lücken nur schließen, indem sie sich in situationen begeben, die sie aus ihrer komfortzone herauslocken, der eine indem er spielt, spielt, spielt, der andere, indem er sich hinsetzt und versucht, das, was er inhaltlich weiß, auch analytisch zu durchdringen. Wenn sie denn wollen.
Und damit bin ich beim wichtigsten punkt: wollen! Auch das ist das tolle an musik: es muß nicht jeder alles können, noch nicht mal in grundzügen. Ein gitarrist in einer punkband muß nichts über jazzharmonielehre wissen, ein klassischer cellist muß keinen blues spielen, etc., etc, etc. ABER: es schadet auch nicht. Im gegenteil, es gibt viele, viele bereiche, wo dinge ineienander fliessen, und gerade da wird es oft besonders spannend. Man muß sich aber darauf einlassen wollen. breites wissen ist für spezialisten nicht notwendig, hinderlich ist es aber auch nicht, und wenn man sein spezialgebiet aus was für gründen auch immer mal verlässt, kann es unheimlich viele türen öffnen.
Ich selbst habe 16 jahre ununterbrochen unterricht auf verschiedenen instrumenten gehabt und 2 diplome als musiker, die in irgendeiner schublade vor sich hingammeln. ich habe immer noch oft das gefühl, eigentlich keine ahnung zu haben.
Vieles, was ich heute oft anwende, habe ich von leuten gelernt, die einfach gemacht haben, ohne zu wissen, warum sie das gerade machen. Warum die rhythmische auffassung in einem bestimmten stil anders ist als in einem anderen, kann man nicht aufschreiben, sondern muß es beim spielen erfahren. ich freue mich wie ein kleines kind, wenn ich mich beim rumdudeln auf der giatrre vergreife und dabei zufällig einen akkord entdecke, der einfach cool klingt. Die fähigkeit, im nachhinein zu analysieren, was das denn nun eigentlich gerade war, tut der sache keinen abbruch. Wenn im proberaum oder auf der bühne etwas geil ist, obwohl es das akademisch betrachtet nicht sollte, ist mir das sch%&§))egal.
Die ausbildung hat aber ohne zweifel viel gebracht. Ich kann mich in stile und musikalische umgebungen, die mir nicht vertraut sind, recht schnell einfinden. ich finde oft abkürzungen, die mir und allen beteiligten in alltäglichen musikalischen situationen zeit sparen. Ich glaube nicht, das das meiner individualität abbruch tut, ich habe halt einfach nicht das eine ding, das mich auszeichnet und wiedererkennbar macht, sondern kann im see, im hallenbad und im meer schwimmen.
Genug selbst gelobt und breitgetreten: jeder musiker kommt an einen punkt, an dem er entscheiden muß, was er können will/können sollte. Wie diese entscheidung ausfällt, ist nur im kontext der musik, die er machen will relevant. Eine formelle musikalische aubildung kann dabei helfen, sich einen überblick zu verschaffen, abkürzungen aufzeigen oder auch mal punktuell technische probleme lösen. Zwingend notwendig ist sie nicht. Das eine wie das andere als einzig selig machenden weg zur erleuchtung auf einen altar zu stellen, aber auch nicht. Man braucht leute, die wege verlassen und mauern einreißen, aber auch leute, die straßen teeren und häuser bauen.
So, lasst mal zusammen musik machen,
cheers, newgini
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