Dienstag, 6. August 2013
früher war alles anders scheiße
Ganz ehrlich: ich bin nicht mehr so 100%ig auf dem laufenden. Manchmal erfahre ich tatsächlich erst mit 4-6 monaten verspätung, welche sau denn aktuell am schnellsten durch unser musikdorf getrieben wird. Man wird halt älter. Die von vielen kollegen nicht mehr ganz jungen bis fortgeschrittenen mittleren alters immer noch gerne als goldene ära glorifizierten mittneunziger habe ich als konzerte besuchender bub gerade noch so miterlebt. Und tatsächlich, es war eine tolle zeit, die läden waren regelmäßig voll, auch und gerade bei konzerten von bands mit eigener mucke, es wurde getanzt, gegröhlt und auch ansonsten in jeder hinsicht gefeiert. Wenn ich allerdings mal nachzähle, komme ich auf einen stammbaum von 5-6 bands, die in dieser zeit am start waren. Namen würde mir zwar wesentlich mehr einfallen, aber letztlich waren das alles geringfügig personell umgestaltete nebenäste des besagten stammbaums. In den frühen bis mittleren nullerjahren ging dann alles den bach runter, der stammbaum hatte holzwürmer, ich zitiere sinngemäß einen wenige jahre älteren kollegen: “naja, man war oder wurde bald dreißig, hatte keinen bock mehr, von der hand in den mund zu leben und hat gemerkt, das das mit der musik halt doch nicht für mehr gereicht hat, und so sind dann alle auseinandergedriftet.........(stark gekürzt)”.
Parallel dazu gab es wenig spielstätten für bands und viele konzerte waren schlecht besucht.
Ich würde vergangenen textbeiträgen meiner selbst in diesem blog widersprechen, wenn ich behaupten würde, das heute wieder alles anders und alles besser ist. AAABERR: es gibt in dieser stadt eine große, vielfältige und verhältnismäßig gut vernetzte musikszene (auch wenn letzterer punkt nur in relation zu meiner eigenen anfangszeit gilt und definitiv noch ausbaufähig ist). Es ist fast egal, nach welchem stil einem gerade der sinn steht, wenn man ein bißchen gräbt, wird man eine mindestens passable band der richtung der wahl in unmittelbarer nähe finden, nicht selten auch noch mit einem altersdurchschnitt der unteren mittelklasse. Rock? The seed and the crowbar. Ska? The coconut butts. Funk? Klartekst. Hip-hop? Rapstammtisch. Metal? A guy named z. Indie? The tideline. Alternative? Fuze, zumindest sehr bald ;-) a-capella? Mit ohne alles. Singer-songwriter? Lizusha, farah uvm...........ich könnte jetzt noch sicher ne viertelstunde weitermachen, und steffi könnte das ebenso sicher nochmal eine weitere halbe stunde lang ergänzen, aber ich bin zum dritten mal in diesem satz sicher, ihr habt verstanden, was ich meine. Und dabei habe ich mit den herrschaften, die schon länger, immer noch oder wieder mit im spiel sind noch gar nicht angefangen.
Die frage, warum es denn nun eine solche vielfalt und ein vergleichsweise hohes niveau gibt, lässt sich einfach beantworten: die ausbildungssituation hat sich dramatisch verbessert, es ist gegenüber den sagen wir mal späten 80ern wesentlich einfacher, an qualifizierten unterricht auch im pop/rock/jazz-bereich zu kommen, von der möglichkeit, sich zu fast allem eine myriade youtube-tutorials anzuschauen, ganz zu schweigen. Hinzu kommt, das viele der leute, die z.b. In den oben genannten bands spielen, sich darüber im klaren sind, das sich mit der musik, die sie machen, keine reichtümer scheffeln lassen, und deswegen “normalen” berufen nachgehen, was sie davor bewahrt, vor die weiter oben geschilderte wand zu laufen. Natürlich kann das auch zum fehlen eines gewissen bisses (ist das überhaupt ein korrekter genitiv?) führen, den die ausschließliche konzentration auf musik ohne wirtschaftliches hintertürchen mit sich bringt, und ob eine mehr oder weniger vereinheitlichte ausbildung nicht auch zum verlust des gewissen quentchens individualität führen kann, das den guten vom wirklich beeindruckenden musiker unterscheidet, ist eigentlich ein thema für einen eigenen text, aber alles hat zwei seiten, konzentrieren wir uns hier mal auf die positiven.
Ja, woran hapert's denn dann, denn an irgendwas hapert's bei mir ja immer, wie der geneigte leser weiß?!
An kleinigkeiten, aber an einigen solchen: werbeetats und menschen, die sie einzusetzen wissen, damit endlich mal alle mitbekommen, wenn irgendwo gute musik stattfindet, und nicht nur wenn in der soers ein schlagerfestival abgehalten wird (das wiederum einen eigenen text verdient hätte, aber zeit ist knapp). An etwas besserer technischer ausstattung, damit die gute musik auch gut klingt. An langem atem seitens der veranstaltungsorte, der es ermöglicht, auch mal eine durststrecke zu überstehen, bis eine konzertreihe zumidest ihre kosten einspielt. Mehr objetivität seitens der ordnungsbeamten, was die wahrung der nachtruhe im umfeld von livemusikveranstaltungen angeht. An, an, an, an......geld, letzten endes.
Der vor kurzem in den ruhestand gegangene kulturdezernent wolfgang rombey hat in einem interview mit der aachener zeitung zugestanden, zu wenig dialog mit der freien szene gesucht zu haben. Sinngemäß hat er gesagt, daraus könne ein freier kulturschaffender keinen anspruch auf städtische alimentierung ableiten, dann sei er ja nicht mehr frei (richtig), aber ein paar euro mehr für sinnvolle projekte wären sicherlich gut gewesen (sehr richtig!).
Ich schlage jetzt mal blauäugig ein sinnvolles projekt vor: veranstaltungsstätten können sich bei der stadt bewerben, die besten 10 bewerbungen erhalten einen etat von 10.000 euro für anschaffung und installtion einer beschallungsanlage (geht billiger, aber gönnen wir wir uns mal den fiktiven luxus.). Des weiteren erhalten sie einen monatlichen etat von 500 euro für werbung, sei es, um einen plaktierer zu bezahlen, anzeigen in stadtmagazinen zu schalten, oderoderoder (geht billiger, aber...), für eine laufzeit von einem jahr.
Die ordungsbeamten sind mittlerweile mit smartphones ausgestattet. Einfache dezibelmesser als app (nicht geeicht, aber durchaus als orientierungshilfe sehr aussagekräftig) gibt es kostenlos. Veranschlagen wir für eine fortbildung in der benutzung derselben durch einen tontechniker, unterstützt von einem juristen, der die feinheiten der diversen emissionsschutzgesetze kennt, 5000 euro (geht....ach, ihr wisst schon).
Gesamtkosten 165.000 euro, weniger als ein prozent des jährlichen kulturetats, wohl gemerkt für eine zunächst einmalige investition, nicht als festen jährlichen posten. Was engagierte menschen wie die betreiberin dieses blogs (nein, ich bin nicht mit dem rover geschäftlich verbunden, sondern schreibe hier als aussenstehender!) mit diesem geld anstellen könnten, und was das für auswirkungen auf die livemusikszene dieser stadt hätte, mag ich mir in meinen kühnsten träumen nicht ausmalen, damit ich nicht zu sabbern anfange.
Wenn die stadt dann irgendwann mal einen neuen kulturdezernenten hat, kann er mich gerne anrufen (nein, nicht auf facebook suchen ;-).
so long,
newsgini

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