Montag, 1. Oktober 2012
kaffe auf
Vorab: dieser text gibt einzig und allein die meinung des verfassers wieder. Die betreiber dieser webseite und des durch sie zumindest irgendwie um drei ecken repräsentierten ladens tragen hierfür keine verantwortung, schuld oder sonstige rucksäcke. Auch fehlt der ansonsten an dieser stelle vorherrschende, leicht satirische unterton, weil mit nicht nach scherzen zumute ist.
Zur sache: ich verstehe die welt im allgemeinen und die kulturpolitik im speziellen schon seit geraumer zeit nicht mehr, wenn denn überhaupt je, aber momentan staut es sich dermaßen, das ich mir auf diesem wege mal ein wenig luft machen muß.
Noch in der januarausgabe des auflagenstärksten ortsansässigen stadtmagazins wurde die wiedererstarkende club-und liveszene ausdrücklich gelobt. Zurecht: seit den “goldenen” mittneunzigern hatte es wohl nicht mehr so viele spielstätten für livemusik gegeben wie in den letzten 2,3 jahren, und auch die clubszene hatte sich merklich diversifiziert. 9 monate später sieht die sache leider anders aus. einige clubs haben wieder geschlossen, wobei man dazusagen muß, das dies mitunter selbst verschuldet war, beispielsweise durch im vorfeld der eröffnung nicht eingeholte lizenzen und ähnliches. Vor allem aber liest sich die situation für livemusik nur noch auf dem papier gut. Zwar gibt es für naturgemäß leisere, akustische musik noch recht viele spielstätten, allerdings leiden auch diese bereits unter strengsten auflagen, deren nichteinhaltung für die veranstalter recht unangenehme folgen haben kann. Öffentliche open-air-veranstaltungen bekommen lautstärkebegrenzungen auferlegt, die eine für teures geld aufgebaute große beschallungsanlage wie ein kofferradio klingen lassen und den musikgenuss für zuhörer, musiker, tontechniker, kurz: alle beteiligten erheblich schmälern. Schlimmer noch: rock, pop, funk, metal, electro, etc., etc., alles spielarten, bei denen eine gewisse grundlautstärke durch benutzung von schlagzeugen, giatrrenverstärkern und subwoofern automatisch gegeben und auch gewollt ist, dürfen von wenigen ausnahmen abgesehen praktisch nur noch metertief unter der erde und auch dort oft nur noch bis 22 uhr stattfinden, was vor dem hintergrund dessen, weshalb menschen diese art von musik hören und machen, schlicht surreal ist.
Auch die erarbeitung dieser art von musik durch die ausführenden musiker wird immer komplizierter, da proberäume, egal wie freistehend die sie umschließenden gebäude und egal wie schallisoliert, unter dem gleichen problem leiden, und schon manche probe unmittelbar nach 22 uhr aufgrund von anwohnerbeschwerden ein jähes ende gefunden hat. Was das für einen musiker bedeutet, der vielleicht bis 19.30 unterricht an einer musikschule gegeben hat, dann kurz nach hause geheizt ist, um was zu essen und seiner familie einen schönen abend zu wünschen bzw. zu helfen, die kinder ins bett zu bringen, und es mit ach und krach um 20.33 uhr zur probe geschafft hat, brauche ich hier wohl auch nicht zu erklären. Fragt man höflich nach, bekommt man hinter vorgehaltener hand von den zuständigen, sprich den betreibern der spielstätte oder auch den ordnungsbeamten, häufig mitgeteilt, das es sich in der regel um einzelne personen, oft auch immer dieselben, handelt, die sich über lärmbelästigung beschweren. Die nachtruhe ist unantastbar, und ob sie gewahrt wird oder nicht, liegt im ermessen des ordnungsbeamten, da die ursache einer angezeigten störung sofort beseitigt werden muß. Das landesemissionsschutzgesetz legt allerdings auch lautstärkegrenzwerte fest und beschreibt genau, wo und wann diese auftreten dürfen. Wer schon einmal abends vor dem musibunker in der goffartstraße gestanden hat, und zwar unmittelbar vor dem fenster der nächstgelegenen wohnbebauung, und mir erzählt, das der fernseher des nachbarn im mehrfamilienhaus, ruhe in der eigenen wohnung vorrausgesetzt, nicht mindestens genauso laut ist, dem glaube ich tendenziell erstmal nicht, es sei denn, der nachbar guckt ausschließlich tierfilme und reisedokus (uuups, da war ja doch humor, sorry.). Eine offizielle messung der lautstärkeentwicklung, die vor gericht bestand hätte, ist teuer und langwierig. Nicht geeichte lautstärkemessgeräte hingegen sind recht günstig zu erwerben und liefern zumindest orientierungswerte. Wieso soll es also unmöglich sein, die jeweils diensthabenden ordnungsbeamten mit solchen geräten auszustatten, um der diskussion ein bißchen objektivität zu verleihen? Die aktuelle praxis stellt in meinen augen die interessen einzelner, die sich gestört fühlen (wollen), über die interessen einer gesellschaftlichen mehrheit, wenn ich davon ausgehe, das diese gesellschaftliche mehrheit das weiterbestehen von livemusik im allgemeinen für grundsätzlich wünschenswert hält.
Private musikschulen, die gezielt und mit entsprechend ausgebildetem lehrpersonal unterricht in rock-und popmusik und dem enstprechenden instrumentarium anbieten, boomen. Was sollen die kids aber nun mit den dort erworbenen fähigkeiten anfangen, wenn sie keine bands mehr gründen können, weil es weder proberäume noch auftrittsorte gibt?
Nebenbei gefragt: was sollen jugendliche demnächst am wochenende abends überhaupt noch machen, wenn aufgrund der vollkommen absurden bevorstehenden erhöhung der gemagebühren für tanz-und partyveranstaltungen,( mit denen unter anderem ein unglaublich bürokratischer verwaltungsapparat finanziert wird), bald alle diskotheken schließen müssen, weil sie sich nicht mehr finanzieren können?? naja, zumindest das musikschulproblem wird sich vielleicht auch bald erledigt haben, wenn privater musikunterricht mehrwertsteuerpflichtig wird. Man wird mit musikunterricht eh nicht reich, die 19% durch preissenkungen zu kompensieren, ist also nicht drin, und wenn man besagte 19% einfach auf die unterrichtskosten draufschlägt, bleiben so viele leute zuhause, das man die hütte auch gleich zu machen kann.
Ihr seht, weshalb ich gelinde gesagt den kaffee auf habe. An allen ecken und enden werden einem als kunstschaffenden knüppel zwischen die beine geworfen. Mir ist klar, das beispielsweise eine in einem sogenannten mischgebiet (geschäfts-und wohnbebauung) gelegene konzert-und partylocation gewisse probleme mit sich bringt. Ein bekannter von mir wohnt ca. 300 meter luftlinie von einer solchen entfernt und sagt zurecht, es kann nicht sein, das seine tochter nachts um 3 aufwacht, weil von den herrüberwehenden bässen die bücher von ihrem schreibtisch fallen. Das es anwohner stört, wenn es nachts auf der straße geschrei gibt und am nächsten morgen zerbrochene bierflaschen vor den reifen der geparkten autos liegen, ist vollkommen klar, und die beschriebenen verhaltensweisen von partybesuchern ein unding. Eine lösung dieser probleme ist allerdings nur möglich, wenn ein gewisses maß an differenzierung in der analyse derselben gegeben ist. Ein pauschales “der laden muß weg” hilft niemanden, denn letzlich singt, tanzt und trommelt der mensch schon viel zu lange, als das man davon ausgehen könnte, das er morgen damit aufhört, weil ein club zugemacht hat.
Ich würde mich freuen, wenn diese diskussion mit aller konsequenz und objektivität in der öffentlichkeit geführt werden und eine nachhaltige verbesserung der situation erreicht werden könnte.
Ich freue mich bereits, das das rover durch das suchen und finden des dialogs mit o-amt und anwohnernen offenbar mit gutem beispiel vorangegangen ist und einen tragfähigen kompromiss gefunden hat.
Und jetzt geh ich foo fighters hören: “what if i say i wll never surrender....”..... ;-)
cheers, newsgini

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Heieiei... ich glaube wenn ich nun richtig ansetzen würde, würde das ganze wieder Romanformat annehmen. Allerdings ist die Diskussion natürlich auch keine neue - auf Facebook fand sie in variösen Anlässen, Aufhängern und Auswüchsen schon vermehrt statt, und ich würde auch lügen würde ich behaupten dass ich nicht mehr als einmal auch den Grundstein hierfür gelegt habe. ;)

Ich hau mal einfach ein paar efgänzende Details aus meinem persönlichen Umfeldserfahrungskreis raus.
Mehreren Musikern fiel in letzter Zeit auf, dass das Ordnungsamt nicht selten bereits ab ca 21 am Bunker herumlungert (man kann dafür kein würdigeres Wort finden), und auf Anfrage hin zugab, dass sie eigentlich nur darauf warteten, dass sich jemand beschwerte und sie "zur Tat" schreiten können.
Ein erbärmliches bild, das nicht zuletzt sicher mit der andauernden Fehde zwischen dem Bunker und dem O-Amt zusammenhängt, aber solch kindisches Verhalten ist einer Institution, die sich "Amt" schimpft alles andere als würdig und trägt ganz sicher nicht zu seiner Seriösität bei.
Auch interessant ist der Aspekt des von dir genannten "Landeslärmemissionsgesetzes". Die Aussagen hierzu variieren nämlich ganz nach Belieben, und zwar sowohl von den Streifenbeamten als auch in der Bürozentrale. Mal gilt hierzulande offenbar das "LANDESlärmemissionsgesetz" (oder wird jedenfalls als Grundlage herangezogen), und mal das sogenannte "BUNDESlärmemissionsgesetz", und natürlich ist es unglaublich sinnvoll, dass beide sich in entscheidenden Punkten unterscheiden. So beinhaltet das eine einen Paragraphen, dass die Streifenordnungsamtbeamten "nach Ermnessen" und unabhängig von tatsächlichen faktischen und stichhaltigen Lautstärkemessungen entscheiden dürfen, wann ein Fall von übermäßiger Lautstärkebelästigung vorliegt. Ich habe in diesem Zusammenhang oft den Begriff Willkür benutzt, der natürlich offziell verpönt wird vom Amt. Aber Willkür ist, worauf es hinaus läuft, und wenn man obiges Beispiel von den schon im Vorfeld prophylaktisch lauernden O-Amtbeanten hinzuzieht, dann bleiben diesbezüglich wohl wenig Alternativbegriffe offen.
Interessant ist, dass laut Chef für Recht und Verwaltung in Aachen der Fall wieder anders gelagert ist, sobald man damit vor Gericht geht. Ich wurde sogar ermutigt, es im Falle des Falles darauf ankommen zu lassen. Aber wer tut das schon? Als Durchschnittsbürger hat man 1. andere Sorgen, als wegen jedem angeblichen Lärmbelästigungszwist mit einem einzelnen Nachbarn und dem Ordnungsamt Türstehertrupp ein Gerichtsverfahren anzuzetteln. 2. kann es ja wohl nicht wahr sein, dass erst vor Gericht eine Lautsrärkemessung als Beweismittel akzeptiert wird.

Ebenfalls zum Thema Proberäume im Bunker ist der Fall spannend, in dem einer mit mir befreundeten Band das Ordnungsamt bereits um 21.30 die Probe auflöste, wiederum auf ihr Recht zur "Ermessungssache" pochte um dies zu rechtfertigen (und wie von dir schon dargelegt, stehen alle ohnhäuser eltliche Meter von den Lüftungschächten des Bunkers entfernt...), und ferner damit drohte, bei wiederholtem Vorfall die gesamten Instrumente zu konfiszieren.
Die Band nahm daraufhin eine Dezibelmessung vor, die sie beim nächsten Auflaufen der Abgesandten des O-Amts vom tishc gewischt wurde mit der gleichen Aussage.

Zu einem der anderen Themen: interessant ist auch, dass ein Bekannter von mir der in der Pinstraße wohnt, mir erzählte, er habe eines Dienstagnachts, als um 3 Uhr über eine Stunde lang ein ungeheurer Lärm vor seinem Fenster tobte, beim Ordnungsamt erstmalig selber um Hilfe ersuchte, und mit der Aussage abgespeist wurde: Das ist die Ponstraße. Ziehen Sie halt woanders hin, wenn es Ihnen dort zu laut ist".
Interessant. Nicht, dass die Ponstraßenszene mit ihrer üblichen wochenendlochen Komasaufrandale mir irgendwelche Sympathien abringt. Aber wenn nur ein Hauch dieser Einstellung cdes Ordnungsamts mal auf die Livekultur- und Clubszene übertragen werden würde, wäre man schon einen großen Schritt weiter.
Auch hier fällt mir nur der Begriff Willkür ein. Oder ist es Machtlosigkeit? Hat sich die wilde Meute in ihrem geballten Massenaufkommen in der Ponstraße durchgesetzt gegen die Offiziellen? Ist das eine Kapitulation? Grade an dem Ort, wo wirklich von Schabeschädigung bishin zu Körperverletzung alles auftritt, wovon die tatsächliche KULTURszene nur albträuk+men könnte!?

Die Frage wohin es führt, wenn immer mehr Clubs, Dissen und Kulturstätten schließen ist sehr klar absehbar: die ausufernden Straßenbesäufnisse, gegen die alle so vehement ankämpfen wollen, dass sie schon armen Kiosken den Außerhausverkauf von Alkohol verbieten wollen, wird erst recht explodieren. Foglerichtig würde danach dann zunächst ein Versammlungsverbot, ferner ein striktes Alkoholverbot und Sprechverbot auf den Straßen, und schlussendlich vielleicht eine Ausganssperre verhängt werden!?

Natürlich bleibt zu dem Thema ergänzend auch die Gegenseite heranzuziehen, was aber das Verhalten der Streifenordnungsamtler in keinster Weise rechtschaffener macht: natürlich verhalten sich viele Clubesitzer, und auch die Verantwortlichen des Bunkers auch - sagen wir mal - suboptimal. Statt das Gespräch und ein Mindestmaß an Kooperation zu suchen, vermeiden sie jede konstruktive Auseinandersetzung (wo möglich - eher bei den Awohnern als beim Ordnungsamt, befüchte ich) und gehen stattdessen verbissen auf Konfrontationskurs. Angesichts des Ungleichgewichts der Rechtslage allerdings auch verständlich.

Zum Thema der Versteuerung von Musikunterricht fällt mir hingegen überhaupt nichts mehr ein. Das ist einfach nur so völlig out of order, und so kontraproduktiv in so vielen staatlichen Maximen, dass man sich nur noch an den Kopf fassen kann, was in den Köpfen da oben eigentlich vorgeht.

Zum thema der Gematariferhöhung bleibt mir schließlich nur folgendes zu sagen: die Gema hat eine Facebookseite, die sich Gemadialog nennt. Aber selbst auf konstruktive Argumente und Fragen bekommt man auch dort natürlich mitnichten ebensolche Antworten.
Fest steht: es WÄRE gut und richtig, dass kleinere Bands mehr aus dem großen Gematopf erhalten, dass sie für ihre Liveperformances nennenswerte Beträge erhalten. Das ist ja auch das große Totschlagargument, an dem sich jetzt zurzeit die Geister scheiden. Was in dieser Argumentation nicht berücksichtigt wird, ist, wo das Geld herkommen soll. Denn aus dem großen Topf kommt es nicht. Es wird wiederum den Leuten aus der Tasche gezogen, die mit kleinen Livemusiklocations eh schon aufs drittweltlichste um ihr Überleben und Bestehen kämpfen.
Und was diese kleinere Bands davon haben werden, wenn immer mehr dieser kleinen Lokale schleißen müssen, liegt ja auf der Hand: wenn es keine Orte mehr gibt, wo diese Bands spielen können, weil sich solcehrart Veranstaltungsorte nicht nur nicht LOHNEN (was sie schon lange nicht mehr tun, auf diesem Level), sondern schlicht nicht mehr überlebensfähig sind, dann haben genau diese Bands auch am Ende wieder das große Nachsehen, und ganz sicher das Gegenteil von einem Vorteil davon (gehe man davon aus, dass tatsächlich ein Teil des Geldes bei ihnen ankäme, was ich nicht für gesetzt halte).

Übrigens gab es vor kurzem eine "Podiumsdiskussion" zu den verschiedenen Steinen des Anstoßes in der Aachener Club- und Kulturszene... aber, leider wenig überraschend, kam dabei wenig substantielles heraus....

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